In einer Welt zu leben, in der die Antworten auf Fragen so vielfältig und gut sein können - das ist es, was mich jeden Morgen aus dem Bett und in die Puschen treibt. (Seite 76)

  Cover: Leben auf dem LandZum Inhalt

Sue Hubbell entflieht der Stadt und zieht aufs Land, um eine Bienenfarm zu betreiben. Auf dem Land gehen die Uhren anders - das wird in diesem Buch, das man auch als „Loblieb auf das einfache Leben“ lesen könnte, mehr als deutlich. In ruhiger, dem Thema angepaßter Sprache erzählt sie von den vielen kleinen Dingen und Ereignissen, die das langsamere Dasein in der Provinz so lebenswert machen. Dabei wird deutlich, daß man von Mitlebewesen wie Bienen oder Fledermäusen auch als Mensch eine Menge lernen kann.

 

 

 

 

Meine Meinung

Auf dem Land habe ich selbst rund zweiundzwanzig Jahre lang gelebt. Wieso also ein Buch darüber lesen, zumal mich das Cover nicht sonderlich anspricht. Dann fiel es mir in die Hände - und ich konnte es kaum noch zur Seite legen. In wunderbar ruhiger Erzählweise berichtet die Autorin mit großer Sachkenntnis von den kleinen Dingen und Erlebnissen, die im großen Gefüge meist unbeachtet vorüber ziehen oder ganz untergehen. Mit diesem Blick auf das anscheinend Unscheinbare gelingt es ihr den Blick für das große Ganze zu schärfen.

Egal ob es um Schlangen, Mäuse, Spinnen oder gar Milben bei Nachtfaltern geht - Hubbell gelingt es, auch solche auf den ersten Blick eher unappetitliche Begegnungen so zu schreiben, daß das Lesen - vermutlich im Gegensatz zum direkten Kontakt - ein Vergnügen ist. So ganz nebenbei kann man eine Menge über die genannten wie zahlreiche weitere Tier- und Pflanzenarten lernen. Wenn die Autorin dann über Zusammenhänge (fast schon) philosophiert und gegenseitige Abhängigkeiten aufzeigt, taucht man endgültig in die faszinierende Welt des Landlebens, sei es von Mensch oder Getier, ein.

Trotz der sehr realen Geschehnisse und Situationen vermittelte mir dieses Buch beim Lesen eine fast schon irreale Ruhe. Es geht nicht um Hetze und Hast, Tages- und Jahresablauf werden nicht durch die Uhr, sondern die Natur bestimmt. Man lebt nicht gegen, sondern mit der Natur. Die sich daraus ergebende Zufriedenheit, wobei die Autorin die Härten nicht unterschlug, ließen mich als Leser ein Gefühl von Ruhe und innerer Zufriedenheit fühlen, wie es nur wenige Bücher schaffen.

Obwohl so ganz anders, mußte ich doch immer wieder unwillkürlich an Wilhelm vom Kügelgens "Jugenderinnerungen eines alten Mannes" denken. Hier, in diesem Buch, tritt sie uns entgegen, mit all ihrer Geruhsamkeit und ihren schönen Seiten. Aber auch, liest man etwas genauer zwischen den Zeilen, nicht ohne die häßlichen, traurigen, tragischen Seiten zu verschweigen. So habe ich in meiner Rezension zu Kügelgens Werk über „die gute alte Zeit“ geschrieben. Das läßt sich hier bedenkenlos wiederholen, wenn man es auf das Landleben bezieht.

Das Buch strahlt eine friedliche Heiterkeit aus, die Ruhe und Gelassenheit in unsere hektische Zeit zu bringen und den Blick auf das Wesentliche und seine Zusammenhänge zu lenken vermag. Besseres läßt sich über ein solches Buch schwerlich sagen.

 

Mein Fazit

Ein wahrhaft entschleunigendes Buch über das Leben auf dem Land und das, was wichtig ist im Leben.

 

 

Über die Autorin

Sue Hubbell wurde 1935 geboren und wuchs in Kalamazoo, Michigan, auf. Sie hat Biologie studiert und arbeitete als Bibliothekarin. 1972 zog sie in die Ozarks, wo sie eine Imkerei betrieb. Sie hat einige Bücher und Zeitschriftenartikel veröffentlicht und lebt heute in Maine.

Bibliographische Angaben

268 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Originaltitel: A Country Year. Living The Questions. Aus dem Amerikanischen von Barbara Heller. Nachwort von J. M. G. le Clézio
Verlag: Diogenes Verlag AG Zürich, 2016

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