Kulturen und ihre verschiedenen Probleme kommen und gehen, doch die Menschen bleiben Menschen. Sie haben Hoffnungen und Träume, Zufriedenheit, Lachen und Weinen, Liebe und Verlust, doch einen Willen zum Überleben und der Suche nach etwas Besserem.* (Seite VII, Vorwort)

Cover: Child of the DeadZum Inhalt

Nach dem Tod ihres Mannes ist Running Dear in Schwermut und Bitterkeit versunken und erwartet nichts mehr vom Leben. Auf dem Weg zum Sommercamp kommen sie an einem Lager vorbei, dessen Bewohner offensichtlich alle an den Pocken gestorben sind. Alle, bis auf ein etwa fünfjähriges Mädchen. Running Deer entschließt sich, beim dem Kind zu bleiben, das anscheinend nur noch ein paar Tage zu leben hat, selbst oder vor allem auf die Gefahr hin, sich selbst anzustecken und zu sterben.
Doch selbst, wenn man das Schicksal mit dem Todesgesang herausfordert bedeutet dies nicht, daß man diesen Kampf tatsächlich verliert. Jedenfalls nicht so schnell. Oder am Ende gar nicht?

 

 

 

 

Meine Meinung

Eigentlich hätte ich es wissen können. Seit mehreren Monaten schon habe ich ein Lesetief und wenig bis keine Lust zum Lesen. Nicht mal Weihnachtsbücher konnten mich aus der Leselethargie herausziehen. Und dann fiel mir ein, daß ich schon länger keinen Band der Spanish-Bit-Serie gelesen hatte.

Und das erste Mal seit langer Zeit habe ich mich in einem Buch (wieder) festgelesen. Denn Don Coldsmith ist es (wieder) sehr rasch gelungen, mich in die Welt des Volkes zu versetzen, zumal hier die tragischen Ereignisse des vorherigen Bandes eine Fortsetzung finden, nicht unbedingt an Tragik, aber indem thematisiert wird, wie die Überlebenden mit den Folgen umgehen und zurecht kommen - oder nicht zurecht kommen.

So bleibt es nicht aus, daß über gut einem Drittel des Buches eine eher melancholische, manchmal schon schwermütige, Stimmung liegt, da Running Deer nach dem Tod ihres Mannes etwa fünf Jahre zuvor noch immer nicht wieder zurück ins Leben gefunden hat. Sie wurde zur mürrischen, gemiedenen Außenseiterin, die mit dem Schicksal und ihrem Leben hadert. Und die lieber tot als lebendig wäre.

Da greift das Schicksal ein.

Auf dem Weg zum Sommercamp kommt der Stamm an dem verlassenen Lager eines unbekannten Stammes vorbei. Viele Totengestelle, alle Zelte leer - außer den Toten, die darin liegen gelassen wurden. Als ob die Überlebenden in Panik geflohen wären. Die Pocken haben fast den ganzen Stamm ausgerottet. Nur ein etwa fünfjähriges Mädchen namens Grey Mouse, dessen Eltern ebenfalls tot sind, wurde krank zum Sterben zurück gelassen.

Das Gras und der Himmel dauern ewig / Doch heute ist ein guter Tag zum Sterben.“ (S. 36)** Unwillkürlich kommt Running Deer das Todeslied in den Sinn und sie weiß, wie sie ihr Leben beenden wird - in Würde und mit einem Sinn. Sie nimmt sich des kranken Kindes an, um es bis zum Tod zu versorgen und dann selbst an den Pocken zu sterben. Vor unendlich langer Zeit war ihre eigene Tochter als kleines Kind gestorben, jetzt endlich, kurz vor ihrem Tod, wird ihr Wunsch nach einer Tochter erfüllt, so daß sie die Welt in innerer Ruhe verlassen kann.

Aber wie das mit dem Schicksal so ist: man kann es zwar herausfordern, aber das heißt nicht, daß es am Ende so ausgeht, wie man selbst es geplant hat. In diesem Falle überleben die beiden. Das Kind überlebt. Running Deer steckt sich, wie zu erwarten war, an - und überlebt auch.

Das Leben hat beide wieder - in Running Deer erwacht der Überlebenswille, zumal sie nun für ein Kind zu sorgen hat. Und das kurz vor dem Wintereinbruch. Man merkt auch hier, wie in all den vorigen Bänden, daß sich der Autor intensiv in seine Thematik eingearbeitet hat, denn auch wenn es sicher so manche glückliche Fügung gibt, ist der folgende Überlebenskampf mit seinen Härten gut nachvollziehbar beschrieben.

Auch hier wird wieder deutlich, daß es nicht „die Indianer“ gibt, denn jeder Stamm hat seine eigenen Sitten, Gebräuche und Traditionen. Während beim Volk die Eule zwar nicht unbedingt ein heiliges Tier ist, jedoch nicht gejagt wird, weil sie als Bote der Geister gilt, ist sie beim Stamm des Kindes ein Unglücksbringer, der erlegt werden muß. Es ist dies, was Grey Mouse erstmals erkennen läßt, daß sie ein anderes Erbe hat als Running Deer (vgl. S. 138). Viel später im Buch kommt dieser Gegensatz nochmnals zur Sprache einschließlich der Akzeptanz und Toleranz, die es unter den Stämmen für die Sitten und Gebräuche anderer Stämme gibt - etwas, was ich in der heutigen Welt sehr vermisse. Und so manchen Konflikt deutlich entschärfen und das Zusammenleben erleichtern würde.

Die ist Band 23 der Serie; rund zweihundertvierzig Jahre sind vergangen, seit Juan Garcia, genannt Der-ohne-Kopf, zum Volk kam, das Pferd mitbrachte und die Welt des Volkes sich völlig veränderte. Eine lange Zeit ist seither verflossen, niemand weiß mehr etwas Genaues aus jenen Tagen, selbst Running Deer ist nicht bewußt, daß sie über viele Generationen hinweg mit Der-ohne-Kopf verwandt ist. Aber es gibt herausragende Gestalten und Ereignisse, die sich ins Gedächtnis eingegraben haben, und sei es nur als ein Mythos oder eine Legende. Medicine Rock, die legendäre Kriegerin Running Eagle - als Leser, der nicht mehr alle Details im Gedächtnis hat, mag es einem wie den Figuren ergehen, wenn man mit leichter Wehmut an jene glorreichen vergangenen Zeiten zurück denkt, die zur Zeit des Erlebens gar nicht so glorreich erschienen, sondern einfach als normaler Lauf der Welt. (Übrigens gilt auch hier, wie bei den meisten anderen Bänden der Reihe, daß der Roman auch für sich alleine verständlich ist, da die zum Verständnis der Handlung notwendigen früheren Geschehnisse an passender Stelle eingefügt werden.)

In der Tat gibt es immer wieder Stellen, an denen die Gedanken zurück zu den Geschehnissen früherer Bände streifen. Dabei stellt man erstaunt fest, daß sich manches über die Zeiten nicht ändert, anderes aber schon, vieles davon bedingt durch die Ankunft der Europäer und deren zunehmende Inbesitznahme des Landes. Noch ist zwar für alle genug Raum vorhanden, aber man merkt deutlich das Näherrrücken der „Zivilisation“ (auch wenn es mir zunehmend schwer fällt, diesen Begriff zur Unterscheidung der nomadischen Lebensweise der Einheimischen zu gebrauchen). Die Veränderungen kommen auch im Buch selbst zum Ausdruck, so tauchen Bezeichnungen für andere Stämme auf - Arapaho, Comanche oder Crow werden beispielsweise erwähnt. Zu Beginn der Buchreihe, die in Zeiten spielt, von denen man von den indigenen Völkern nicht viel weiß, hat Coldsmith, wie er selbst schrieb, sein Volk als eine Mischung der Lebensweise und Gebräuche verschiedener Stämme „zusammenkomponiert“. Nun tauchen erste Unterschiede auf, auch ein Zeichen der Weiterentwicklung sowohl der Buchreihe wie der (mehr oder weniger) durchlaufenden Geschichte.

Einstens werden die Nachkommen sich von Running Deer und Gray Mouse, dem Child of the Dead - dem Kind der Toten, wie es von manchen genannt wurde - erzählen, wie sie entgegen allen Erwartungen Pocken wie Winter überlebten und welchen Gefahren sie danach ausgesetzt waren. Etliche davon werden in diesem Buch noch beschrieben, sollen aber hier nicht erwähnt werden. Und manche davon dürften im nächsten Band „Bearer of the Pipe“ zur Sprache kommen.

 

Mein Fazit

Mit dem „weißen Mann“ kamen die Pocken nach Amerika und kosteten Abertausenden der ursprünglichen Bewohner des Landes das Leben; auch das Volk bleibt nicht verschont. In einem spannenden Roman beschreibt Coldsmith den Ausbruch der Krankheit und den dadurch bedingten Folgen. Die Zeiten beginnen sich für das Volk merklich zu verändern.

 

Über den Autor

Don Coldsmith, geboren 1926, arbeitete bis 1988 in Kansas als Arzt. Mit seiner Frau Edna betrieb er zudem eine kleine Farm und Pferdezucht. Er schrieb insgesamt über 40 Bücher und starb am 25. Juni 2009.

Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

248 Seiten, 1 Stammbaum, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: Doubleday, a division of Bantam Doubleday Dell Publishing Group New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1995; ISBN-10: 0-385-47029-0, ISBN-13: 978-0-385-47029-2

 

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