Wenn ein Ereignis, das man so ungeduldig ersehnt hatte, endlich eintraf hielt es bei weitem nicht, was es versprochen hatte. (Seite 260)

Cover: Stolz und Vorurteil

Zum Inhalt

Mr und Mrs Bennet haben fünf Töchter. Ob sie das als einen Segen empfinden, sei hier nicht diskutiert. Jedenfalls ist es das erklärte Ziel von Mrs Bennet, diese so bald und vor allem so gut als möglich zu verheiraten. Während sich für die älteste, Jane, bald eine Gelegenheit bietet, lehnt die zweite, Elizabeth, glatt einen Heiratsantrag ab. Und dann reist auch noch Janes Bräutigam in spe ab ohne Absicht zurückzukehren.
Genug an Aufregungen, um Mrs Bennet auf Trab zu halten, denn natürlich taucht der Abgereiste wieder auf, kommen weitere Personen ins Spiel und gibt es einige Verwicklungen und Mißverständnisse, bis am Ende die Quelle der Mißhelligkeiten, eben Stolz und Vorurteil, überwunden sind.

 

Kommentar / Meine Meinung

Was kann ich all dem vielen, das in den letzten Jahrzehnten über dieses Buch schon geschrieben wurde, noch hinzufügen? Vermutlich ist längst alles gesagt, jede mögliche Meinung dazu auf irgendeinem Weg geäußert. Aber das Eigentümliche eines so alten Buches ist es nun mal, daß es immer wieder Menschen gibt, die es zum ersten Mal lesen, die es neu (für sich) entdecken und sich dafür einnehmen lassen. Und jetzt hat es mich getroffen.

Nachdem ich die beiden BBC-Verfilmungen des Stoffes gesehen habe, wurde es Zeit, die Vorlage dazu kennenzulernen. Das bedeutete, daß ich recht konkrete Vorstellungen von den Figuren hatte, was aber hier durchaus positiv zu werten ist, da die Rollen in der 1995er Verfilmung mit Colin Firth und Jennifer Ehle einfach optimal besetzt sind. So ganz war ich mir nicht sicher, was ich denn zu erwarten hätte.

Um es kurz zu machen: ich wurde sehr positiv überrascht. Nicht nur hat mir der Stil in der Übersetzung von Ursula und Christian Grawe ausnehmend gut gefallen und mich in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts versetzt, auch hat sich die Handlung so natürlich und folgerichtig langsam entwickelt, daß es Stellen gab, an denen ich hoffte, es würde so ausgehen, wie aus dem Film bekannt, und nicht unversehens etwas anderes passieren. Ist es zum Glück nicht, aber das Buch entwickelt einen solch eigenen Zauber, daß ich, obwohl ich das Ende kannte, bis zu demselben mitgefiebert habe.

Daß dabei der Humor nicht zu kurz kommt, sei nur am Rande erwähnt. Dieser Mr Collins hat mich mit seiner devoten Art mehr als ein Mal zu laut Auflachen gebracht. Und Mrs Bennet - ich hatte stets die Originalstimme von Alison Steadman im Ohr, und das paßte wie die berühmte Faust aufs Auge.

Elizabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy sind wohl das bekannteste Paar der englischen Literatur, nach der Lektüre dieses Buches ist mir auch verständlich weshalb. Da sprühen die Funken und ich würde einiges darum geben, sie in natura kennenzulernen. Im Gegensatz dazu Jane Bennet und Charles Bingley, die beide fast zu gut für diese Welt sind. Was es zwischen diesen und den übrigen Gestalten im Buch für Beziehungen und Verwicklungen gibt, vermag auch ein interessantes Bild auf die Lebensverhältnisse jener Zeit zu werfen.

Beim Verständnis half mir auch, daß ich bereits das „Making of“ Buch zum Film gelesen hatte. Dort war einiges von den Rechercheergebnissen in Wort und Bild zu lesen und zu sehen, was mir zum besseren Verständnis half. Beispielsweise hatte ich so im Hinterkopf, daß eine Familie wie die Bennets damals wohl elf Hausangestellte hatte. In Verbindung mit dem Nachwort meiner Ausgabe wurde so eine Zeit, von der ich recht wenig weiß, in vielen Facetten lebendig.

Was mir dabei besonders gut gefallen hat war, daß eigentlich nichts Weltbewegendes passiert. Das Leben geht seinen Gang, wir begleiten die Figuren über den Zeitraum von einem Jahr, in dem wenig, aber doch wieder so viel passiert, daß danach der meisten weiteres Leben in völlig anderen Bahnen als zuvor verlaufen wird. Ein Buch zum Ausruhen, Lächeln, sich Wundern, kurz: zum sich Wohlfühlen.

Im letzten Kapitel wird das Buch rundum zufriedenstellend zu einem Ende geführt, indem das weitere Schicksal der Personen angedeutet bzw. ausgeführt wird. Ob die Figuren glücklich und zufrieden bis an ihr Ende gelebt haben, oder mir ein solches vergönnt sein wird, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis. Unzweifelhaft jedoch habe ich das Buch in genau diesem Zustand geschlossen, vielleicht von etwas Wehmut durchzogen, Longbourne und Pemberley nun verlassen zu müssen. Aber das läßt sich durch baldiges Wiederlesen leicht ändern.

 

Kurzfassung

Ein sehr lesenswerter Klassiker der englischen Literatur voll Esprit und Humor. Ein Buch, das ich sicherlich bald ein weiteres Mal lesen werde.

 

Ach so, und der Satz gehört unbedingt zitiert, denn das paßt heute mehr denn je:

In Zeiten wie heute halte ich die Vernachlässigung einer Familienbibliothek für unverantwortlich! (Seite 41)

 

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Bibliographische Angaben meiner Ausgabe

Aus dem Englischen von Ursula und Christian Grawe.
Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2005