Das Schicksal ist schon eine seltsame Sache, nicht wahr? (Seite 275)

 

Cover: Das Weihnachtswunder von Hope StreetZum Inhalt

Ruth Ryans lebt, so sieht es für Außenstehende aus, auf der Überholspur. Sie ist die „Kummerkastentante“ der Zeitung und in der Stadt und Gegend allgemein prominent und bekannt. Doch ihr Leben scheint zusammenzubrechen, als ihr Vater kurz vor Weihnachten stirbt.
Ein Jahr später ist sie noch immer in ihrer Trauer gefangen. Da begegnet sie Michael, der ihr ins Gewissen redet und sie wach rüttelt. So kommt sie auf die Idee, in ihr großes leeres Haus zu Weihnachten fremde Menschen einzuladen, von denen sie durch ihre Kummerkastentätigkeit weiß, daß sie sehr bedürftig sind. Sie ahnt nicht, welche Lawine an Ereignissen sie damit in Gang setzt.

 

 

 

 

Meine Meinung

Immer wieder einmal erhebt sich bei einem Buch die grundsätzliche Frage, ob es denn, falls so genannt, wirklich ein Weihnachtsbuch ist. Und manches Mal ist es für mich dann sogar ein „richtiges“, weil Tannenbaum und Plätzchen nicht nur Kulisse sind, um ein Thema anzudeuten, sondern weil im Buch Themen verhandelt werden, die quasi vom inneren Sinn her zu Weihnachten passen. Wenngleich das Cover ein solches möglicherweise nicht gleich vermuten läßt, hat sich dieser Roman jedoch für mich zu einem wirklichen „Weihnachtsroman“ entwickelt, auch wenn der religiöse Aspekt nur sehr wenig und am Rande vorkommt. Aber vielleicht erstrahlt das „Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind“ gerade deswegen um so heller und klarer.

Dabei deutet zunächst und über längere Zeit gar nichts darauf hin. Eher im Gegenteil. Das Buch beginnt gleich mit einer Katastrophe, nämlich dem Tod von Ruths Vater. Ein Jahr später hat sie sich noch immer nicht davon erholt, ihr Leben gerät privat wie beruflich zusehends aus der Spur. Dazu erfahren wir von einigen Menschen, die sich um Rat an sie wenden, deren deprimierende, teils aussichtlos erscheinende Lebenssituation. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, weshalb mich diese harten Schicksale nicht mehr berühren, nicht „hinunterziehen“. Nun, zum Einen würden die später wohl noch relevant werden (was zutrifft) und zum Anderen hat die Autorin einen Schreibstil, der auch solche Schicksale in einer Weise schildert, daß man die als Leser zwar nachvollziehen und nachempfinden kann, dennoch ein unbeteiligter Beobachter bleibt und unterschwellig das Gefühl hat, da kommt etwas Gutes nach. Und auch dieses wird zutreffen.

Aber bis dahin dauert es. Im Nachhinein erscheinen mir die ersten rund hundert Seiten als eine Ouvertüre zur eigentlichen Handlung. Denn da etwa wird Ruth aus ihrer Lethargie geweckt und beginnt, einen neuen Plan zu schmieden und umzusetzen: sie wird zu Weihnachten einige Menschen in ihr leeres Haus einladen, die so einsam sind, wie sie selbst, und die ein schlimmes Schicksal haben. Hier wird dann klar, weswegen einige der Ratsuchenden so ausführlich vorgestellt werden - es sind die, die Weihnachten bei der „Kummerkastentante“ verbringen sollen.

Die folgenden rund zweihundertfünfzig Seiten hindurch vergehen lesemäßig dann wie im Flug, das Buch konnte ich kaum aus den Händen legen. Es werden die Vorbereitungen zum Fest geschildert, was das für die Eingeladenen bedeutet, aber mehr und mehr wird deutlich, daß Ruth wieder Lebensmut gewinnt und eine neue sinnvolle Aufgabe in ihrem Leben sieht, in dem sie mehr tut als nur gute Ratschläge zu erteilen, in dem sie nämlich ganz praktisch etwas tut und hilft. Michael, der Kellner in ihrem Lieblingscafé hatte sie durch harte und deutliche Worte aus ihrer Erstarrung geholt, und er - eigentlich gelernter Koch - hilft ihr nun auch bei den Vorbereitungen wie der Durchführung der Festivität. Das - man ahnt es - sich Annähern der beiden während ihrer gemeinsamen Aktivitäten, fand ich realistisch und nachvollziehbar beschrieben.

Was dieses Buch für meine Begriffe von andern des Genres unterscheidet - und das meine ich durchaus positiv -, sind die konsequent ernsthaften Probleme der Menschen, die Ruth zu sich einlädt, und wie diese gelöst werden. Oder auch nicht gelöst werden. Wobei es der Autorin gelingt, eine Überraschung - für Ruth wie den Leser - einzubauen, die dem Ganzen quasi das Sahnehäubchen aufsetzt und die Geschichte abrundet.

Am Ende bringt Emma Heatherington die Geschichte, wie sich das für ein solches Buch gehört, zu einem runden Abschluß. Und trotz - oder gerade - wegen der Schwere der behandelten Probleme und den dargestellten Lösungen war es genau dieses Buch, welches mich denn doch endlich in richtige Weihnachtsstimmung versetzt hat. Es ist eben in der Tat ein „richtiges Weihnachtsbuch“, das ich gewißlich mindestens ein weiteres Mal lesen werde. Vermutlich gleich zur nächsten Weihnacht, wenn ich auf der Suche nach einem Buch bin, das mich in die richtige Stimmung versetzen kann.

 

Mein Fazit

Ein Weihnachtsroman, wie ich ihn schon lange gesucht habe, und der mich letztendlich tatsächlich in Weihnachtsstimmung versetzt hat. Ein Buch zum unbedingt Wiederlesen.

 

Über die Autorin

Emma Heatherington lebt mit ihrem Partner und den fünf gemeinsamen Kindern in Donaghmore, County Tyrone (Irland). Neben Romanen hat sie auch für Musical und Film geschrieben.

Bibliographische Angaben

352 Seiten, kartoniert
Originaltitel: A Miracle on Hope Street. Aus dem Englischen von Claudia Geng
Verlag: HarperCollins, Hamburg 2019. ISBN 978-3-95967-344-0

 

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