But the cloud never comes in that quarter of the horizon from which we watch for it. (Seite 19)*

 

Cover: North And SouthZum Inhalt

Als Mr Hale, ein anglikanischer Pfarrer, in eine Glaubenskrise gerät, quittiert er den Pfarrdienst und siedelt mit seiner Frau sowie Tochter Margaret von Südengland in das nordenglische Milton um. Landschaftlich wie von der Umgebung her ein Kontrast, wie er schärfer nicht sein könnte. Sie kommt in Kontakt mit John Thornton, einem Farbrikbesitzer und Schüler ihres Vaters, sowie Nicholas Higgins, dem örtlichen Gewerkschaftsführer, dessen Tochter Bessie ihre Freundin wird. Immer wieder kommt es zu Reibereien mit Thornton, der so gar kein Gentleman von der Art ist, wie Margaret sie bisher kannte. Als nach und nach ihre Freundin und ihre Eltern sterben, steht sie schließlich alleine in der Welt.

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Kommentar / Meine Meinung

(...) But death comes to us all; and you’re well off never to have lost any friend till now. (Seite 231)** Kann man ein Buch als „schön“, gar „sehr schön, einfach wunderbar“ bezeichnen, wenn darin so viel Un-Schönes, so viel Leid und Schmerz und Tod vorkommen, wie in North And South? Ich weiß es nicht, aber dennoch ist das für mich eines der schönsten Bücher, die ich je gelesen habe. Trotz Leid, Schmerz und Tod.

Kürzlich habe ich Gustav Freytags Roman „Die verlorene Handschrift“ wieder gelesen, der zwar in Deutschland spielt und entstanden ist, jedoch etwa zur gleichen Zeit wie „North And South“. Schon da war mir das so ganz andere Lebensgefühl (ein etwas unpassendes Wort hier) der Menschen damals aufgefallen. Krankheit und Tod hatten einen anderen Stellenwert, ganz einfach, weil sie allpräsent waren. Es war Teil des täglichen Lebens. Selbst wenn man sich mit Anfang fünfzig nicht alt fühlte, konnte man dennoch am nächsten Tag schon sterben. Schlimm war beides für die Menschen auch damals schon, doch wurde es - so mein Empfinden - als etwas Natürliches und nicht zu Vermeidendes hingenommen, im Gegensatz zu dem Tabu, welches der Tod heute bildet, ja geradezu dem Kriegszug dagegen.

Auf meiner „Entdeckungsreise“ durch die englische Literatur war dies das zweite Werk (nach R. D. Blackmores „Lorna Doone“), und aufs Neue bin ich begeistert und etwas ratlos, wie mir ein solch herrlicher Roman bisher entgehen konnte. Das Milton des Buches entspricht dem Manchester der Zeit, dem Wohnort der Autorin. Wenn ich den zahlreichen Anmerkungen meiner Ausgabe glauben darf, wird auf etliche seinerzeit aktuelle Ereignisse Bezug genommen, so daß ein Bild der Gesellschaft und der Menschen der Industrialisierung entsteht. Ich entsinne mich, vor Jahren in der Schule etwas darüber gelernt zu haben, aber erst jetzt ist das zum Leben erwacht, haben sich trockene Fakten in Schicksale und Geschichten aufgelöst. Völlig neu für mich war der große Gegensatz zwischen Nord- und Südengland, der jeweils so ganz anderen Mentalität, der im Buch gut zur Geltung kommt.

Ich kannte die Handlung bereits aus der vorher gesehenen BBC-Verfilmung, die zwar - wie ich inzwischen weiß - in einigen Dingen von der Vorlage abweicht, den „Geist“ des Buches jedoch ungemein gut widerspiegelt und manches, was sich meines Erachtens nur schlecht filmisch darstellen läßt, sehr gut in die „Filmsprache“ übersetzt hat. So hatte ich beim Lesen, vor allem was die Figuren der Margaret, der Thorntons, aber auch Nicolas Higgins, betrifft, immer die Schauspieler vor Augen bei dem ständig ablaufenden Kopfkino. Das war aber durchaus kein Nachteil, denn die Rollen sind so ideal besetzt, als hätte Frau Gaskell eben diese Schauspieler beim Schreiben vor ihrem geistigen Auge gesehen. Es ist außerordentlich schade, daß es derzeit keine deutsche Ausgabe dieses Werkes gibt.

Das war, wie erwähnt, mein zweiter englischer Klassiker, den ich im Original gelesen habe. Ich empfand „North And South“, einige Jahre vor „Lorna Doone“ entstanden, leichter zu lesen als das Letztere. Nach viel zu kurzen rund 395 Seiten mußte ich mich von Margaret Hale, John Thornton und wie sie alle hießen, dann leider verabschieden, und sie in zurück ihre Zeit entlassen, um dort ihr Leben zu leben. Zurück into the days, that are no more. (Seite 350)***.

 

Kurzfassung

Farbenprächtig (soweit man das von einer grauen Stadt wie Milton sagen kann) entsteht ein Bild vom England der Mitte des 19. Jahrhunderts: Nord und Süd, arm und reich, Leben und Tod. Und mittendrin Margaret Hale und John Thornton. Eines der schönsten Bücher, das ich je gelesen habe.

 

Anmerkung und Übersetzungen

Ich habe übrigens die hier Norton Critical Edition gelesen. Neben einer Einleitung und dem Roman selbst beinhaltet das Buch Auszüge aus den Briefen der Autorin sowie von Charles Dickens über „North And South“, Artikel zu den Umständen der Zeit (incl. einem Auszug aus Friedrich Engels' "Die Lage der arbeitenden Klasse in England") sowie Rezensionen, eine Lebenstafel sowie Bibliographie.

< Hier > noch der Wikipedia-Artikel zum Roman (mit kompletter Inhaltsangabe).

Sinngemäße Übersetzungen:
* = Doch die Wolke taucht niemals an dem Himmelsviertel auf, von dem wir sie erwarten.
*** = Aber der Tod kommt zu uns allen; und Sie haben viel Glück, bisher noch keinen Freund verloren zu haben.
**** = die längst entschwundenen Tage.

 

Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

Herausgegeben von Alan Shelston; 585 Seiten, Kartoniert, W. W. Norton, New York / London, 2005

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