Von da an hatte ich kaum noch Zeit, meinen einstigen Träumen nachzuhängen (...) (Seite 128)

 

Cover: Ein Bräutigam fürs Leben

 

Zum Inhalt

Ein kleines Städtchen im Piemont des 19. Jahrhunderts. Denza will ihrem langweiligen Elternhaus entfliehen und sieht dazu nur eine Möglichkeit: Heirat. Also verliebt sie sich in einen ihr bis dato Unbekannten, von dem sie nur weiß, daß sie einmal seine Aufmerksamkeit erregt hat. Und während das Leben die nächsten Wochen und Monate seinen Gang geht, wartet sie darauf, daß er ihr endlich einen Antrag machen wird.  

 

 

 

Kommentar / Meine Meinung

Das informative Vorwort von Natalia Ginzburg werden manche vermutlich erst nach der eigentlichen Lektüre lesen wollen, da es recht viel vom Inhalt verrät. Nur ohne solches konnte Frau Ginzburg nicht von ihrer Begeisterung für dieses Werk berichten. Ich habe das Vorwort zuerst gelesen und war heftig gespannt auf das, was mich denn erwarten würde. Um es gleich vorweg zu sagen: über weite Strecken konnte ich die große Begeisterung Ginzburgs nicht so richtig nachvollziehen. Zu dem Zeitpunkt hat mir das Vorwort fast besser gefallen als das eigentliche Buch, hat ersteres doch Erinnerungen an „Geschichten“, die ich mit meinen eigenen Büchern erlebt habe und solche „besonderen Sätze“ oder Exemplare wachgerufen. Aber das ist wohl die Natur solcher Beziehungen zu Büchern: sie sind sehr persönlicher Natur und für andere oft nicht nachzuvollziehen.

Das Buch selbst hat mir gut gefallen. In einer klaren Sprache, die dennoch bildhaft genug ist, um ein lückenloses Kopfkino in Gang zu setzen, wird zunächst das Haus derer der Dellara beschrieben und die Familie vorgestellt. Und schon sind wir mitten in der Geschichte einer freudlosen, tristen Jugend, eines ebensolchen und eintönigen Lebens, dem die Erzählerin Denza entfliehen möchte. Als einzige Möglichkeit sieht die die Heirat, und als man ihr nach einem Theaterbesuch sagt, daß ein gewisser Herr Mazzuchetti sie angesehen habe, beschließt sie, daß sie ihn ihn verliebt ist und erwartet demgemäß seinen Heiratsantrag.

Davon, von diesem Warten, nun erzählt uns Denza. Es sind keine großen Dinge, die passieren, aber dennoch habe ich das Buch zu keiner Zeile langweilig oder eintönig empfunden, im Gegensatz zu dem Leben, das beschrieben wird. Über weite Strecken war ich mir nicht so richtig sicher, ob sich Denza alles nur einbildet bzw. interpretiert (z. B. die Blicke des Herrn Mazzuchetti) oder ob es sich um tatsächliche Geschehnisse handelt. Wir als Leser wissen naturgemäß auch nicht mehr als Denza selbst.

Da ich nun aus dem Vorwort wußte, welcher Satz Frau Ginzburg so beeindruckt hatte, erwartete ich diesen natürlich mit Spannung. Auf mich hat der jedoch gar nicht so gewirkt. Ich habe mich immer noch gefragt, woher denn die Begeisterung für dieses Buch kommt und wie man das wieder und wieder lesen kann.

Bis, ja bis ich dann auf der Seite 128 angelangt war und den oben zitierten Satz las. Da wußte ich um die Begeisterung der Frau Ginzburg und da wußte ich, daß auch ich das Buch noch etliche Male würde lesen müssen. Nicht nur - und das ist mir so bisher selten begegnet - daß wir es hier anscheinend mit einem sehr detaillierten Sittengemälde einer Kleinstadt im 19. Jahrhundert zu tun haben, es hat etwas mit dem Leben zu tun. Nicht nur damals, sondern heute. Nicht nur mit dem von fiktiven Figuren in einem Roman, sondern dem von Menschen aus Fleisch und Blut, solchen, die täglich versuchen, ihr Leben zu leben und damit klar zu kommen. Die Wünsche, Vorstellungen, Hoffnungen, Träume haben - und immer wieder erleben müssen, daß diese an der Realität scheitern. Damals wie heute. Das macht dieses kleine Büchlein zu einem zeitlosen Werk, das es verdient, wieder und wieder gelesen zu werden. Vermag es doch, wenn die eigenen Erwartungen ans Leben einen Dämpfer erhalten haben, aufzuzeigen, daß das wohl schon immer so war und immer so bleiben wird, und dadurch einen gewissen Trost zu spenden. Das ist mehr, als man über viele andere Bücher sagen kann.  

 

Kurzfassung

In ein „farbiges Sittengemälde“ des 19. Jahrhunderts verpackt die Konfrontation von Wunschdenken und Realität. Ein zeitloses Stück Literatur.  

 

 

Über die Autorin

Marchesa Colombi ist das Pseudonym der 1840 in Novara geborenen italienischen Schriftstellerin Maria Antonietta Torriani. Sie war sie Lehrerin, bevor sie sich der Soziologie und dem Feminismus zuwandte und zu schreiben begann. 1869 heiratete sie Eugenio Torelli-Viollier, der die Zeitung „Corriere della Sera“ gründete. Von ihm wwurde sie später geschieden und lebte bis zu ihrem Tod 1920 sehr zurückgezogen. Ihre Werke waren lange Zeit in Vergessenheit geraten.  

Bibliographische Angaben

135 Seiten, etliche Illustrationen, gebunden (Leinen) mit Lesebändchen. Originaltitel: Un Matrimonio in Provinzia. Aus dem Italienischen von Christine Gräbe.
Verlag: Edition fünf, Verlag Silke Weniger, Gräfelfing/Hamburg 2012  

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