Ein anderes Leben kann ich mir gar nicht vorstellen. Mir gefällt es so, wie es ist. (Seite 424)

 

Cover: Die Australierin

 

Zum Inhalt

Als ihre Eltern nach England umziehen, kommt die achtjährige Emilia zu Onkel und Tante nach Hamburg, wo sie in reichen Verhältnissen aufwächst. Doch als sie sich in den Kapitän Carl Lessing verliebt, kommt es zum Bruch, denn ihre Zieheltern wollen sie reich verheiraten.
Zusammen mit Carl verläßt sie Hamburg und geht als Frau des Kapitäns auf große Fahrt. Sie beginnt das Abenteuer ihres Lebens.

 

 

 

 

Kommentar / Meine Meinung

Australien liegt so gar nicht im Fokus meines Interesses, weshalb der Titel des Buches - der zudem unpassend ist - mich eher abschreckte denn anzog. Aber ein Blick in die Leseprobe überzeugte mich davon, diesen Roman lesen zu wollen.

Schon auf den ersten Seiten nahm mich die Autorin durch ihren zur Geschichte passenden Erzählfluß gefangen. Endlich mal ein Buch, bei dem Form und Inhalt zusammenpassen - durchgängig bis zum Ende. Etwas, was heute leider nicht mehr selbstverständlich ist. Im Nachwort finden wir den Hinweis, daß vieles, aber eben nicht alles, auf wahren Begebenheiten beruht. Gott sei Dank hat die Autorin ihr Buch eher nach dem Grundsatz „das Leben schreibt die besten Geschichten“ denn nach dem heute weithin üblichen „ein Höhepunkt jagt den anderen“ geschrieben. So entstand beim Lesen vor meinem inneren Auge die Lebensgeschichte einer Frau und ihrer Familie dermaßen eindringlich, daß ich über weite Strecken das Gefühl hatte, ein Teil der Handlung, mitten auf dem Schiff dabei zu sein oder daß mir die Figuren beim Lesen über die Schulter blickten. Schließlich waren mir Emilia, Carl und wie sie alle heißen so vertraut, daß ich das Gefühl habe, sie persönlich zu kennen.

Etwas schade fand ich, daß es nach rund vierhundert Seiten einen Zeitsprung gab und der Rest des Buches in deutlich höherem Tempo erzählt wurde. Stilistisch durchaus zum „ersten Teil“ passend; jedoch wurde vieles geraffter, mehr handlungsbezogen, wodurch ich das Gefühl hatte, zwei Romane in einem Band gelesen zu haben. Dadurch bin ich dann mit dem doch recht angewachsenen „Personal“ des Buches etwas durcheinander gekommen und habe streckenweise den Überblick verloren. Ein Personenverzeichnis wäre hilfreich gewesen. Auch, oder gerade (?) dieser zweite Teil hätte das Potential gehabt, genau so ausführlich wie der erste erzählt zu werden. Und, um meine Kritik abzuschließen, ein Glossar wäre praktisch gewesen. Für mich als „Landratte“ waren etliche der Seemannsbegriffe unbekannt.

Das ist, es sei bemerkt, jedoch Jammern auf hohem Niveau. Ein weiterer Vorzug dieses Buches ist es für meine Begriffe, daß Schlimmes - und davon gibt es Etliches - nicht ausgespart, aber nicht mehr als zum Verständnis notwendig beschrieben wird. Beim Lesen bekommt man einen recht guten Einblick, wie die Menschen dachten und lebten, von den Freuden, Leiden und Mühen des Alltags. Und vom Tod, der seinerzeit deutlich häufiger und vor allem früher zu Gast war, als wir das in unseren Tagen gewohnt sind. Besonders positiv fiel mir auf, daß - soweit ich das von heute aus beurteilen kann - die Geschichte aus Sicht und mit den (Moral-) Vorstellungen des 19. Jahrhunderts erzählt wurde, und nicht mit denen des 21. Vor allem verzichtete die Autorin auf die heute so verbreiteten Schlafzimmerszenen, egal ob sie zum Buch passen oder nicht. Dafür einen ganz besonderen Dank; denn so, wie das Thema - und das bleibt bei einer wachsenden Familie einfach nicht aus - hier behandelt wurde, empfand ich es als geradezu vorbildlich und - ich wiederhole mich - überaus passend zur Zeit, in welcher der Roman spielt.  Das machte das Lesen mehr als angenehm, vermittelte zusätzlich ein Gefühl für die erzählte Zeit und machte die Figuren glaubwürdig und nachvollziehbar.

Insgesamt gesehen habe ich das Buch sehr gerne gelesen und trotz der paar kritisierten Punkte war das im wahrsten Sinne des Wortes ein Lesegenuß. Mein erstes, sicherlich nicht mein letztes Buch der Autorin und eine unbedingte Leseempfehlung.

 

Kurzfassung

Eine Familiengeschichte der anderen Art: auf wahren Begebenheiten beruhend glaubwürdig und fesselnd erzählt.

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Über die Autorin

Ulrike Renk wurde in Detmold geboren, mit ihrer Familie lebt sie als freie Autorin in Krefeld.

Bibliographische Angaben

539 Seiten, kartoniert. Verlag: Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2014

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