Bei neuen Erfindungen prüfen wir immer, ob sie gut für uns sind, aber die alten Regeln wagt niemand infrage zu stellen. Dabei ändert sich die Welt. (Seite 330)

 

Cover: Leahs TraumZum Inhalt

1917, die Welt im Umbruch. Nicht nur tobt ein Weltkrieg, auch das Leben hat sich durch neue Erfindungen sehr verändert, wodurch der Gegensatz zwischen der amischen und der „englischen“ Lebensweise noch größer geworden ist. Damit die jungen sich bewußt für die amische Lebensweise entscheiden können, gibt es nun das „Rumspringa“; in dieser Zeit sind Dinge erlaubt, die es ansonsten nicht wären. Danach muß eine Entscheidung getroffen werden: Taufe oder Verlassen der Gemeinde.
Leah setzt sich gegen ihren Vater durch - sie will nach Jakobstown zum „Rumspringa“, sie möchte die Welt der Englischen kennenlernen. Dort kommt sie mit Richard, einem jungen Mann aus reichem Hause, in Kontakt und verliebt sich in ihn. Doch hat eine Beziehung zwischen einer streng amisch erzogenen Frau und einem reichen Erben eine Chance? Eines Tages muß Leah sich entscheiden.

 

 

 

 

 

Meine Meinung

Mit diesem Roman ist die Geschichte um die Hochleitners zu Ende. Rund hundert Jahre sind vergangen, seit Daniel und Rebekka ihr gemeinsames Leben im deutschen Schönthal begonnen haben. Was haben sie und ihre Nachkommen alles erleben und durchmachen müssen! Vom Jahr ohne Winter über die Auswanderung nach Amerika und den schwierigen Start dort. Der Sezessionskrieg ging für die Amisch glimpflich ab, die Sklaverei forderte harte Gewissensentscheidungen. Und nun ist wieder Krieg, zudem hat sich die Welt der „Englischen“ durch technische Entwicklungen sehr verändert und weiter entwickelt, wodurch der Kontrast der Lebensweisen noch größer geworden ist. Sich taufen zu lassen, ist nun nicht mehr nur eine bewußte Entscheidung für einen Glauben, sondern auch für eine Lebensweise.

Bevor Leah sich entscheidet, möchte sie die andere Lebensweise kennenlernen und zieht daher für einige Zeit zu ihrer Tante nach Jakobstown, um ihr in ihrem Laden zu helfen. In der Freizeit hat sie Kontakt zu „Englischen“ und geht mit ihrer Freundin Grace aus. Kompliziert wird es, als sie Richard, den Sproß einer Industriellenfamile, kennen - und lieben lernt. Es mag sein, daß diese Begegnung etwas „märchenhaft“ wirkt, aber nur auf den ersten Blick. Denn hier prallen zwei Welten aufeinander, so daß die Unterschiede recht deutlich werden. Dabei habe ich immer wieder unwillkürlich überlegt, daß es Dinge und Situationen gibt, in denen wir "Englischen" durchaus von den Amischen etwas lernen könnten.

Auch in diesem dritten Band hat die Autorin dankenswerterweise ihre Linie, nicht zu glorifizieren und möglichst nahe am realen Leben zu bleiben, konsequent beibehalten. Zu keinem Zeitpunkt erschien mir Denken oder Handeln einer Figur unrealistisch, selbst in den Zeiten, in denen Leah eine zumindest rosarot getönte Brille auf hatte. Durch das Aufeinanderprallen der Welten und das Sinnieren darüber (vgl. zum Beispiel Seite 185 zum Thema „Eitelkeit“) werden die Unterschiede noch deutlicher. Vor allem aber öffnet es (nicht nur den Figuren), sondern auch den Lesern die Augen für so manche Übertreibung, man könnte sogar versucht sein, den Begriff „Fehlauslegung“ zu verwenden, der Amisch und ihrer sehr engen und wörtlichen Bibelauslegung.

Wie schon in den Vorgängerbänden (die man nicht gelesen haben muß, will man der Handlung dieses Romans folgen, allerdings versteht man Manches besser, wenn man die Vorgeschichte kennt) so ist auch hier die Handlung perfekt in die historische Entwicklung der Jahre 1917/1918 eingepaßt. An anderer Stelle hat die Autorin für viele Details die historischen Quellen genannt, einige (etwa Zeitungsausschnitte) sind wörtlich ins Buch eingeflossen. Bei so manchen Schikanen, die die Amisch-Männer zu erdulden hatten, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie die Indianer von den Weißen behandelt wurden. So viel Unterschied war da nicht, zumindest auch in dem, was man als „guter Amerikaner“ von ihnen hielt.

Dankenswerterweise hat die Autorin das Buch nicht, wie heute (zu) oft üblich, nach dem Ende der Geschichte mit (zu) wenigen Sätzen, was oft schon wie abrupt wirkt, beendet, sondern zum langsamen Ausklingen (wie es die Trilogie auch verdient) einen Epilog angefügt, der ein paar Jahre später angesiedelt ist. So hat man noch ein paar Seiten Zeit, sich von der Familie Hochleitner zu verabschieden und erfährt, wie es weiter gegangen ist.

Als ich das Buch dann mit leichter Wehmut (weil es nun endgültig vorbei ist) zugeklappt hatte, hatte ich das Gefühl, mich von sehr guten Freunden verabschieden zu müssen. So, wie ich sie einschätze, haben sie im Weiteren ihre Chancen auf ein gutes Leben genützt. Nach allem, was sie durchgemacht haben, würde ich es Ihnen jedenfalls von Herzen gönnen.

 

Mein Fazit

Die Amisch im Konflikt mit der modernen Welt - grandioser Abschluß der Trilogie. Diese sind für mich die besten Amisch-Romane, die ich je gelesen habe. Absolute Leseempfehlung für alle drei Bände.

 

Über die Autorin

Karin Seemayer, geboren 1959, machte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und war beruflich und privat viel unterwegs. Die meisten ihrer Romanideen sind auf diesen Reisen entstanden. Allerdings musste die Umsetzung der Ideen warten, bis ihre drei Kinder erwachsen waren. Heute lebt Karin Seemayer im Taunus.

Bibliographische Angaben

349 Seiten, kartoniert
Verlag: Aufbau Taschenbuchverlag, Berlin 2022; ISBN 978-3-7466-3758-7

 

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