Unser Volk weiß, dass der Natur eine wichtige Rolle zukommt, denn die Natur kann ohne uns Menschen bestehen, der Mensch aber nicht ohne sie. Hegten die Weißen eine ähnliche Dankbarkeit für die Geschenke der Schöpfung, so wäre die Erde ein besserer Platz zum Leben, denn niemand vernichtet, was er verehrt und liebt. (Ernest Benedict, Mohawk; Seite 285)

 

Cover: Die Rückkehr aus den ewigen JagdgründenZum Inhalt

Irgendwann in nicht allzuferner Zukunft. Erstmals wurde ein Lakota zum Präsidenten der USA gewählt. Während die Armee der USA im Nahen Osten im Einsatz ist, wo sich die ganze islamische Welt im Aufruhr befindet, scheint sich in Amerika die Prophezeiung des Wovoka zu erfüllen: alle je gestorbenen Indianer kehren ins Leben zurück, die Natur verwandelt sich und Amerika gehört wieder den Indianern. Mitten in diese Ereignisse hinein gerät eine weiße Familie, die sehen muß wie sie damit zurecht kommt.

 

 

 

 

Vorbemerkung

Die gespoilerte Textstelle (durch "[ ]" markiert) verrät Handlungsinhalte, die aber für meine in der Rezension genannte Begründung wesentlich sind. Um diese Stelle lesen zu können, bitte einfach mit gedrückter linker Maustaste darüber fahren (die Stelle quasi markieren). Der Text wird dann lesbar.

 

 

Kurzmeinung

Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

 

Meine Meinung

Hä?

Nun überlege ich schon eine ganze Weile, ob ich dieses Buch mit diesen beiden Buchstaben zusammenfassen darf. Unschlüssig bin ich mir, weil ich genau dieses „Hä?“ schon für E. T. A. Hoffmanns „Die Elixiere des Teufels“ verwendet habe. Aber der war sprachgewandt und konnte wenigstens schreiben!

Dennoch war „Hä?“ mein Gedanke, als ich die letzte Zeile des Buches gelesen hatte. Das erinnerte mich an Peter Høegs „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. [ Während dort der Autor seine Figuren am Ende des Buches in eine ausweglose Situation führt, mit der das Buch endet, habe ich hier das Gefühl, daß der Autor am Ende selbst nicht mehr wußte, wie er die verworrene Situation auflösen und zu einem irgendwie gearteten Schluß bringen soll - und daher einfach das Buch beendete. Praktisch mitten in der Handlung, ohne den kleinsten Hinweis darauf, wie es weitergehen könnte. ] Das hat meine eh schon geringe Begeisterung noch weiter in den Keller geschickt.

So ziemlich das Einzige, was ich an dem Buch gut fand, war die Grundidee: eine Prophezeiung vom Ende des 19. Jahrhunderts geht in Erfüllung, alle verstorbenen Indianer erleben eine Auferstehung und nehmen Amerika wieder in Besitz. Das fand ich eine interessante Konstellation mit viel Potential und war gespannt, was der Autor daraus machen würde. Leider nicht viel.

Ganz allgemein gesagt, merkt man dem Buch an, daß es ein (Roman-) Erstlingswerk ist. Hier wäre ein starkes Lektorat gefragt gewesen; es will mir allerdings scheinen, daß es eher ein Korrektorat war. Wäre das Buch lektoriert worden, wäre es in dieser Form vermutlich nie erschienen.

Das fängt beim Stil an, der zwischen dem Niveau eines Schulaufsatzes und dem einer guten Dichtung hin und her schwankt, ohne sich für die eine oder andere Art entscheiden zu können. Seltsam empfand ich auch den häufigen Gebrauch des Wortes „Rothaut“. Das Wort ist eher negativ belastet und wurde oft als Schimpfwort verwendet. Hier nun begegnet es mir erstmals als neutral und positiv besetzter Begriff. Das paßt nicht. Vor allem nicht in ein Buch, das eigentlich Pro-Indianer sein soll.

Oft werden auch Klischees bedient. So sind Frauen beispielsweise in RomComs meist als schön bis sehr schön beschrieben. Hier hatte ich den Eindruck, daß selbst die Miss Universum im Vergleich zur weiblichen Hauptfigur und Kämpferin Jeanie Touch The Clouds häßlich wie die Nacht ist. Und wenn man meint, erotische Anzüglichkeiten unterbringen zu müssen, sollten die wenigstens halbwegs gut geschrieben sein. Begriffe aus der Anatomie passen da eher nicht.

Mehr und mehr gewann ich den Eindruck daß sich der Autor seine ganze Wut über die historischen Ereignisse von der Seele geschrieben hat, nach meinem Empfinden zum großen Teil so, wie man sich am Stammtisch in einem Gespräch in Rage reden würde. Das mag dort passen, nicht aber in einen Roman mit ernsthaftem Anspruch. Davon abgesehen liest es sich streckenweise wie ein seitenlanger, belehrender Vortrag mit erhobenem Zeigefinger. Da kommt eindeutig der Sachbuchautor durch, auch wenn bei auftauchenden historischen Personen direkt nach dem Namen Geburts- und Sterbejahr angegeben werden (z. B. S. 54 und viele andere). In einem Roman?

Apropos Roman: es ist nicht ganz verkehrt, sich über historische Ereignisse, auf die man sich bezieht, zumindest in Grundzügen kundig zu machen. Die Hexenverfolgung ist keine Sache des „dunklen Mittelalters“ (vgl. S. 63), sondern beginnt in der frühen Neuzeit und erreicht dort ihre zweifelhafte Blütezeit.

Die Einordnung der Hexenverfolgung ins Mittelalter mag noch angehen, weil man die ohne nähere Kenntnisse vermutlich gefühlsmäßig eher dort verorten würde als in der Neuzeit, aber den Satz „Dein Wille geschehe“ als Teil des christlichen Glaubensbekenntnisses zu bezeichnen, offenbart denn doch eine deutliche Bildungslücke. Dieser Satz gehört seit jeher ins Vaterunser. Ich dachte bisher, dies sei zumindest in Mitteleuropa auch heute noch Allgemeinwissen.

Der Autor vermischt in der Handlung Fakt und Fiktion, reale Welt und indianische Mythologie. Das hat Vella Munn in „Navajo Nights“ deutlich besser hinbekommen. Dort war das so überzeugend dargestellt, daß ich bis heute nicht weiß, wo die Grenze zwischen Realität und Mythos verläuft. Hier erscheint es mir sogar für einen Science Fiction Roman übertrieben bzw. nicht vollständig glaubwürdig - und schon gar nicht nachvollziehbar.

Ob sich direkt nach einem starken Gewitterregen „trockenes Grasland“ vor einem ausdehnen kann, sei hier nicht näher untersucht (vgl. S. 39f). Wie man jedoch Wounded Knee (der Ort eines Massakers an Sioux am 29. Dezember 1890, gilt oft als Ende der Indianerkriege) mit Golgotha vergleichen kann, entzieht sich völlig und absolut meinem Verständnis (vgl. 40 und weitere im Buch). Auf Golgotha starb Jesus für die Sünden der Menschen, in Wounded Knee wurden rund dreihundert Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, sinnlos durch Angehörige des 7. US-Kavallerie-Regiments ermordet. Oder der Vergleich von Crazy Horse mit Jesus??? (vgl. S. 209ff). Das gipfelt in dem Satz: „Willst du damit etwa sagen, dass Crazy Horse eine Reinkarnation von Jesus ist?“ (S. 211). Da war es gut, daß der Autor mir nicht gegenüber saß. Meine Reaktion wäre heftig und auf jeden Fall hier nicht zitierfähig gewesen. An dieser und an anderen Stellen habe ich mir doch sehr gewünscht, daß der Autor über zumindest Grundkenntnisse in Theologie verfügen sollte, wenn er theologische Themen aufgreift.

Übrigens konnte ich das Buch heute nirgends auf der Verlagswebseite (und auch nicht dort im Shop) finden, obwohl es im Verlagskatalog offiziell als Neuerscheinung Frühjahr 2022 aufgeführt ist. Ob man selbst das Buch lieber totschweigen will? Es würde mich nicht wundern; ich habe schon einige Bücher aus dem Verlag gelesen und hatte bisher eine wirklich gute Meinung, die wurde durch dieses Buch, das irgendwie so gar nicht paßt, doch deutlich eingetrübt.

Ich könnte mich jetzt noch eine ganze Weile weiter über das Buch auslassen, denke jedoch, daß ich meine Ansicht deutlich kund getan habe. Auch möchte ich das Buch jetzt hinter mir lassen und mich einem anderen zuwenden. Einem, das mir gefallen wird. Derer habe ich nämlich noch Etliche hier.

 

Mein Fazit

Das Buch war ein Satz mit x - nämlich nix. Die Ausgangssituation fand ich wirklich interessant. Die Ausführung allerdings überhaupt nicht. Schade, wirklich schade.

 

Über den Autor

René Oth wurde 1945 in Luxemburg geboren, ist Kulturwissenschaftler und hat etliche Sachbücher über Indianer veröffentlicht. Dies ist sein erster Romen.

Bibliographische Angaben

287 Seiten, Klappenbroschur
Verlag: Traumfänger Verlag GmbH & Co, Hohentann 2022; ISBN-13: 978-3-948878-15-3

 

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