It’s an awful time to be alive. / Es ist eine furchtbare Zeit zum Leben. (Lara)

 

Cover: Doktor SchiwagoZum Inhalt

Jurij Schiwago wächst als Waise bei den Gromekos auf, deren Tochter Tonja er später heiratet. Durch die Wirren der Oktoberrevolution trifft er Lara, eine Krankenschwester, wieder, der er früher in Moskau schon begegnet war. Lange wehren sie sich, doch am Ende werden sie ein Liebespaar. So gerät Schiwago auch privat zwischen die Fronten, denn er liebt seine Frau, aber auch Lara. Aber auf solche privaten Dinge nimmt die mit der Revolution angebrochene neue Zeit keine Rücksicht und unerbittlich geht das Schicksal seinen Lauf.  

 

 

Kommentar / Meine Meinung

„Weiß du wohin...“. Wem fällt nicht gleich die Melodie zu diesen Worten ein. Laras Theme, die Schiwago-Melodie - gleich dem Film inzwischen ein Klassiker geworden. Dabei hatte gerade diese Melodie einen schwierigen Start. David Lean gefielen die ersten beiden Vorschläge von Maurice Jarre überhaupt nicht. So meinte er, daß er mit seiner Partnerin in die Berge fahren, alles vom Film und von Russland vergessen und nur für sie eine Melodie schreiben solle. Als Jarre zurück kehrte, hatte er Laras Theme dabei.

Das Buch war in der damaligen Sowjetunion verboten, Dreharbeiten an Originalschauplätzen schieden also aus. David Lean, dem man das Projekt anvertraut hatte, reiste rund 10.000 Meilen, bevor der Drehort feststand: Rußland würde in Spanien erstehen. Und so kommt es, daß die russischen Weiten, die man im Film sieht, sich in Spanien befinden. Dort baute man minutiös das Moskau der Jahrhundertwende nach. An diesem riesigen Set entstand der größte Teil des Films. Einmal bekam man dann sogar Schwierigkeiten mit der Polizei, und zwar als die Demonstration gedreht wurde, und die Menschen die Internationale sangen. Es war Franco-Spanien, und die Polizei fürchtete einen Aufruhr. Es bedurfte wohl einiger Mühe, sie davon zu überzeugen, daß hier ein Film gedreht wurde. Sie blieben aber doch in Sichtweite - um zu sehen, wer von den spanischen Komparsen den Liedtext auswendig konnte.

Aber auch mit dem Wissen, daß nicht in Rußland gedreht wurde, daß etliche der Winterszenen im nördlichen Finnland, rund 10 km von der sowjetischen Grenze entfernt, gedreht wurden, fühlte ich mich dennoch direkt ins alte und revolutionäre Rußland versetzt, so gute Arbeit leistete das Filmteam.

Wenn man sich heute diesen Film ansieht, vermag man sich vermutlich überhaupt nicht so recht vorzustellen, was da alles dahintersteckt, welche Leistungen von jedem einzelnen erbracht wurden, um dieses Ergebnis zu erreichen. Denn es gab weder CGI (Computer Generated Imagery, am Computer erzeugte Bilder), keine digitalen Aufnahmetechniken, keine Special Effects, wie man sie heute als normal ansieht. Aber vielleicht gerade deshalb, weil hier wirkliche Könner ihres Fachs am Werke waren, ist das Ergebnis auch heute noch, knapp fünfzig Jahre nach Entstehung, sehenswert.

Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt hier weniger auf den politischen Fragen, sondern der Liebesgeschichte zwischen Jurij und Tonja sowie Jurij und Lara. Diese ist so gut erzählt, daß seinerzeit, wie man dem Bonusmaterial entnehmen kann, niemand an der „Dreiecksbeziehung“ Anstoß nahm.

Eingebettet ist die Geschichte jedoch in die historischen Ereignisse, in die Zeit vor, während und nach der russischen Oktoberrevolution, die wie ein Sturm über das Land fegt und keinen unberührt läßt. Lag in dem etwa zur gleichen Zeit spielenden „Der stille Don“ der Fokus auf dem Schicksal der Don Kosaken und dem Grauen des Krieges und der Revolution, so wird Letzteres hier zwar auch recht deutlich, ist aber nicht das Hauptthema. Schiwago ist ein Arzt, der sich eher auch als Poet sieht und tätig sein möchte, der aber in die Wirren des Krieges hineingezogen wird. Seine Poesie wird vom neuen Regime nicht geschätzt, er darf nicht veröffentlichen.

Das ist nicht die einzige Parallele zum Leben des Autors Boris Pasternak. Auch die Beziehungen Schiwagos zu den beiden Frauen finden sich bei Pasternak; Olga Iwinskaja hieß Lara im „richtigen Leben“.

Der Film ist auf eine Weise klassisch gemacht, wie man es heute nur noch selten bis überhaupt nicht findet. Ruhige Kameraführung, langsame Erzählweise. Mit einer richtigen Ouvertüre zu Beginn und nach der Pause, in die man mit dem Ruf „Strelnikoff“ und einem in rasendem Tempo vorbeifahrenden gepanzerten Zug entlassen wird.

Über drei Stunden hat man in der Welt des Doktor Schiwago verbracht, wenn der Film sich dem Ende nähert, wenn ein letztes Mal jene Melodie erklingt, zu deren Aufnahme man sich bei einer orthodoxen Gemeinde in LA Balaleikaspieler suchen mußte, weil niemand im MGM-Orchester dieses Instrument beherrschte. Drei Stunden fernab der heutigen Realität hat man gelitten, sich gefreut, geweint, gelacht, und auf einen wie auch immer guten Ausgang gehofft. „It’s an awful time to be alive. / Es ist eine furchtbare Zeit zum Leben,“ sagt Lara in einer Szene zu Schiwago, der ihr widerspricht.

Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, welcher Meinung er zustimmt. Nur trotz dieser schlimmen Zeiten zählt „Doktor Schiwago“ wohl zu den schönsten, vielleicht auch ergreifendsten Liebesgeschichten, die das Kino zu bieten hat.  

 

Kurzfassung

In den Wirren der Oktoberrevolution finden, verlieren, suchen Jurij, Tonja und Lara nach so etwas die Liebe und Glück. Eine zeitlose Liebesgeschichte.  

 

 

Angaben zu Film und meiner DVD

Originaltitel: Doctor Zhivago
Regie: David Lean
Buch: Robert Bolt
Darsteller: Omar Sharif, Julie Christie, Geraldine Chaplin, Rod Steiger, Alec Guiness, Tom Courtenay, Siobhan McKenna, Ralph Richardson, Rita Tushingham, u. v. a.
Sprachen: Englisch, Deutsch
Laufzeit: ca. 192 Minuten, Bonusmaterial ca. 130 Minuten
Erschienen: Film: 1965 / DVD: 2001
Regionalcode / Format: 2 / PAL

Freytag, Gustav: Die Ahnen 2: Das Nest der Zaunkönige

Jeder begehrt Macht und je größer seine Macht wird, desto höher steigt seine Begehrlichkeit. (Seite 158)

 

Cover: Gustav Freytag

 

Zum Inhalt

Rund zweihundertfünfzig Jahre nach dem Ende des ersten Bandes hebt dieser Roman im Kloster Hersfeld an, wo ein Nachfahre des Ingraban Mönch werden soll. Immo jedoch zieht es auf die Burg der Väter und in den Kampf zu Heinrich II. gegen den Babenberger. So verläßt er das Kloster, nicht ohne sich mit der Tochter des Grafen Gerhard, die er später heiraten möchte, gut zu stellen. Hildegard jedoch soll ins Kloster gezwungen werden, so daß Immo sich schließlich gegen den König stellt.  

 

 

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Kaiser, Maria Regina: Selma Lagerlöf

Letztlich besteht die große Anziehungskraft der Romane und Erzählungen Selmas auch in der mühelosen Vermischung von Übernatürlichem und irdischer Realität. (Seite 205)

 

Cover: Selma LagerlöfZum Inhalt

Selma Lagerlöf war eine faszinierende Persönlichkeit. Als erste Frau erhielt sie den Nobelpreis, setzte sich für das Frauenwahlrecht ein und führte ein selbstbestimmtes und unkonventionelles Leben. Etliche ihrer Werke erfreuen sich auch heute noch der Zuneigung der Leser. Maria Regina Kaiser erzählt in diesem Buch von den wesentlichen Stationen in Selmas Leben, beginnend bei ihrer Kindheit bis hin zum Tod 1940. Ergänzt wird das Buch durch zahlreiche historische Fotos und weiterführende Informationen.

 

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005: Intermezzo oder eigenes Projekt?

Gleisplan WeihanchtsanlageEigentlich sollte es hier ja mit der Beschreibung des Bahnhofes Bielstein weitergehen - doch was soll dann das Oval als Gleisplan? Und was heißt hier „Intermezzo oder eigenes Projekt“? Hat das etwa mit den „ersten Zweifeln“, von denen ich früher schrieb, zu tun?

 

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Cover: Miss BennetZum Inhalt (Quelle: nach Verlagsangabe)

Mary Bennet weiß von klein auf, dass sie keine Schönheit ist – besonders im Vergleich zu ihren vier Schwestern, die mittlerweile alle verheiratet sind. Sie selbst sucht noch nach ihrem Platz im Leben, als sie nach dem Tod des Vaters zusammen mit ihrer Mutter den Familiensitz Longbourn verlassen muss. Mary zieht zunächst von einer Schwester zur anderen, bevor sie bei ihrer Tante in London unterkommt. Dort blüht sie förmlich auf und findet erstmals Gefallen an Bällen und Abendeinladungen. Schon bald macht ihr der reiche Erbe Will Ryder den Hof. Doch Mary ist fest entschlossen, ihrem Herzen zu folgen – und das schlägt für den stillen Anwalt Tom Hayward ...