Aber das wird mir wahrscheinlich schon von Geburt an so bestimmt gewesen sein, das war eben mein Schicksal, - dem Schicksal aber entgeht man nicht, wie Sie wissen. (Makar Alexejewitsch; Seite 113)

Cover: Dostojewski

 

Zum Inhalt

Makar Alexejewitsch ist ein einfacher Beamter, der in sehr bescheidenen Verhältnissen lebt. Er steht im Briefwechsel mit Warwara Dobrossjolowa. Dreißig Jahre jünger, etwas kränklich und entfernt mit ihm verwandt, kämpft sie ums wirtschaftliche Überleben und mit den Schatten eines dunklen, nicht genannten Ereignisses, in ihrer Vergangenheit. In ihrem Briefwechsel machen sie sich gegenseitig Mut und kommen sich dabei näher.  

 

 

Kommentar / Meine Meinung

Einen Briefroman habe ich, wenn ich das recht überblicke, bisher noch nicht gelesen. Nachdem ich kürzlich „Die Dämonen“ gelesen habe, was lag näher, in so einem Falle zu einem Werk des gleichen Autors zu greifen.

„Arme Leute“ ist ein recht kurzes Werk, rund zweihundert Seiten, und es ist Dostojewskis Debutroman, mit dem er auf Anhieb großen Erfolg hatte. Wie man aus den jeweiligen Datumsangaben der Briefe entnehmen kann, erstreckt sich die Handlung über einen Zeitraum von einem knappen halben Jahr. Die Handlung, wenn man von einer solchen sprechen kann, entwickelt sich aus zwei verschiedenen Blickwinkeln heraus. Dabei bleibt manches vage, wird nur angedeutet, denn die Briefeschreiber wissen ja, worauf sie sich beziehen.

So etwa jenes Ereignis, auf Grund dessen Warwara Dobrossjolowa in ihre derzeitige etwas mißliche Situation gekommen ist. Es gibt Hinweise, als Leser stellt man Vermutungen an, und kann doch nur hoffen, daß einer der beiden das irgendwann einmal deutlicher in einem Brief erwähnt.

Wie der Titel nahelegt, gehören die beiden Briefeschreiber - wie auch die meisten der sonst erwähnten Personen - eher der ärmeren Bevölkerungsschicht Rußlands um 1845 an. Man bekommt dadurch einen recht guten Einblick in die Situation solcher „kleinen Leute“; vieles entsprach dabei dem, was ich auch in anderen Büchern schon so oder ähnlich vorgefunden habe, so daß das „Kopfkino“ von ganz alleine angesprungen ist. Dostojewski beschreibt ein Rußland mit seinen Menschen, wie ich es mir vorgestellt habe.

Makar Alexejewitsch ist rund dreißig Jahre älter als seine Briefpartnerin, und so ganz genau erfährt man nicht, in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen. Ist es Verwandtschaft, ist es Liebe - beides kommt vor. Aber wohin sollte eine Liebe zwischen den beiden führen - darüber haben sie wohl selbst nicht nachgedacht, und so nimmt denn auch alles seinen Lauf.

In meiner Übersetzung von E. K. Rashin gibt es immer wieder Anmerkungen zu erwähnten Namen oder historischen wie literarischen Bezügen, die für ein besseres Verständnis hilfreich sind. Ich hatte durchaus etwas Mühe mit der Vorstellung, daß dies Dostojewskis erstes Werk ist, so durchdacht und stilistisch auf hohem Niveau erschien mir der Roman.

Schon hier hat es Dostojewski für mein Empfinden vermocht - wie später in den „Dämonen“, die genau richtige Balance zwischen Nähe und Distanz zu den Figuren zu erzeugen, so daß ich über weite Strecken das Gefühl hatte, als „stiller Beobachter“ direkt neben den Figuren zu stehen, sie zu beobachten, ihnen zuzuhören, aber dennoch so viel Abstand hatte, daß es mich in den düsteren Stellen nicht mit hinunterziehen konnte. Das ganze Buch ist von einer leichten Melancholie durchzogen, die ich niemals als depressiv empfunden habe, sondern - um das fast schon klischeehaft auszudrücken - als „typisch russisch“.

Am Ende des Briefwechsels angelangt ist alles klar und doch manches offen. Und es bleibt die Überlegung, wie es den beiden wohl in ihrem weiteren Leben ergangen ist. Das aber muß jeder selbst für sich herausfinden. Ein Buch, das noch eine ganze Weile nachwirken wird.  

 

Kurzfassung

Ein Frühwerk Dostojewskis, das bereits deutlich seine Meisterschaft zeigt.  

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Über den Autor

Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde am 11. Nov. 1821 in Moskau geboren. 1849 wurde er zunächst zum Tode verurteilt, dann zu Zwangsarbeit nach Sibirien verbannt. Danach nahm er seine erfolgreiche schriftstellerische Tätigkeit wieder auf. Er verbrachte einige Zeit im Ausland (vor allem in Deutschland und der Schweiz) und hatte oft mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er starb am 9. Febr. 1881 in Sankt Petersburg.  

Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

Enthalten in Band 1 der Ausgabe „Sämtliche Werke in 10 Bänden“
ca. 200 Seiten, gebunden. Originaltitel: Bednye ljudi. Aus dem Russischen von E. K. Rashin. Verlag: Piper Verlag, München/Zürich 1980

 

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