„Folge meinen Weg!“, hatte ihr Bruder gesagt. Aber noch immer wusste sie nicht, was diese Worte bedeuteten. (Seite 328)

 

Cover: KranichfrauZum Inhalt

Nachdem der Bruder von Kranichfrau von verfeindeten Crows getötet wurde, weiß sie nicht, wie es weiter gehen soll. In einer Vision erhält sie den Auftrag, seinem Weg zu folgen. Sie trägt fortan Männerkleider und geht mit auf einen Rachekriegszug gegen die Crow. Der verläuft jedoch anders als geplant.
Schwer verletzt bleibt sie zurück und wird von Nata-He-Yukan, einem Lakota, der auf Grund einer Intrige in Verbannung lebt, gefunden und gesund gepflegt. Ihrer beider Herkunft ist jedoch so verschieden, daß ein Zusammenleben immer problematischer wird und schließlich in Gewalt zu eskalieren droht.
Noch wissen sie nicht, daß diese Gegensätze das Geringste der Probleme sind, mit denen sie noch konfrontiert werden, und die sie nur gemeinsam meistern können.

 

 

 

 

Meine Meinung

Das war zwar nicht das erste Buch der Autorin, welches ich gelesen habe, anscheinend aber der erste historische Indianerroman, den sie veröffentlicht hat. Selbiges merkt man der Erzählung allerdings überhaupt nicht an; bereits in ihrem ersten Buch entwickelt die Autorin eine Meisterschaft im Erzählen, die ihresgleichen sucht.

Allerdings ist der Lesegenuß nicht ganz ungetrübt; und das hat vor allem mit dem Verlag zu tun. Schon in meiner Rezension zu „Im Eissturm der Amsel“ hatte ich eine große Anzahl von Satzfehlern bemängelt. Hier, obwohl einige Jahre früher erschienen, gilt ein Gleiches. Selten habe ich ein Buch gelesen, das satztechnisch dermaßen nachlässig erstellt wurde wie dieses. Als mir der fehlende Randausgleich erstmals begegnete, dachte ich „gut - kann mal durchrutschen, selbst wenn es zwei Mal auf einer Seite passiert“ (vgl. S. 48). Stutzig wurde ich, als es ein paar Seiten weiter (vgl. S. 55) wieder der Fall war - zwei Mal. Irgendwann habe ich dann aufgehört zu zählen und mich nur noch gewundert. Es ist viele Jahre her, daß ich selbst Bücher Korrektur gelesen habe. Mein damaliger Drucker hätte sich geweigert, das zu drucken, denn da würde auch sein Name mit dran hängen. So häufig wie der fehlende Randausgleich in diesem Buch vorkam, führte es denn doch zu einem Punkteabzug. Denn was nützt die schönste Geschichte, wenn ich beim Lesen dauernd über (Satz-)Fehler stolpere?

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Namensgebung. Da ich das schon in anderen Büchern der Autorin kritisiert habe, zitiere ich mich einfach leicht abgewandelt selbst (aus der Rezension zu „Donnergrollen im Land der grünen Wasser“): „Wie in ihren anderen Büchern verwendet die Autorin für die meisten der Figuren deren indianische Namen, hier empfand ich diese jedoch als dermaßen fremd, daß das durch das ganze Buch hindurch für eine gewisse Distanz sorgte und nicht, wie die Autorin vermutlich im Sinne hatte, mir die Figuren oder deren Völker näher brachte. Ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn hier durchgehend deutsche Namen Verwendung gefunden hätten (wenn die Indianer im Buch sprechen, steht das ja auch auf Deutsch da und nicht in deren Sprache mit Übersetzung).“ Zur Verwirrung trägt bei, daß nur die Namen der Lakota in Originalsprache gehalten sind, die der Blackfeet oder Shoshonen auf Deutsch sind - selbst in Nata-He-Yukans eigener Familie gibt es also deutsche Namen und solche in Lakota.

Damit sind meine kritischen Bemerkungen allerdings an ihr Ende gekommen. Erzählmäßig gehört der Roman für mich zur Spitzenklasse, von der ersten bis zur letzten Seite. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, eine Geschichte, die sich folgerichtig entwickelt, zu erzählen und dabei Fakt und Fiktion so gut zu vermengen, daß Fakt wie Fiktion und Fiktion wie Fakt wirkt. Mit anderen Worten: genau so, wie im Buch geschildert, könnte sich das damals um 1830 herum zugetragen haben.

Einige Personen und Ereignisse sind historisch, wie die Autorin im Nachwort schreibt; manche der erzählten Begebenheiten dürften dem westerninteressierten Leser bekannt vorkommen. Was mehr als deutlich wird ist, daß die indigenen Stämme einen guten Teil selbst Schuld an ihrem Untergang tragen. Alle sind mir allen verfeindet - da hatten „die Weißen“ leichtes Spiel. Es ist müßig zu überlegen, wie die Historie verlaufen wäre, hätten sich die Nationen verbündet. Doch auch das hätte vermutlich am Ende nichts genützt, denn gegen die eingeschleppten Pocken waren sie wehrlos.

Eine der übelsten Figuren, die mir je in einem Buch begegnete, ist Bleza-Si. Eine Figur so hinterhältig und böse, daß man ihr im realen Leben nicht mal im Traum begegnen möchte - und ihr im Buch den schlimmstmöglichen „Abgang“ wünscht. Auch wenn er recht wenige Facetten, und keine positive hat, so ist auch diese Figur selbst in ihrer Bosheit glaubwürdig. An einigen Stellen wird über Bleza-Sis Vergangenheit berichtet, schwache Menschen mögen sich dann so entwickeln, wie Bleza-Si das im Buch tut, insofern handelt auch er in sich folgerichtig. Sympathien konnte er jedoch keine sammeln, Haßgefühle, wie ich sie mir nie zugetraut hätte, dafür um so mehr.

Oft liest man, daß Indianer sehr humorvoll sind. Dieses hat die Autorin so gut ins Buch übernommen, daß ich alle paar Seiten laut aufgelacht habe, sofern nicht gerade eine der Katastrophen zugange war, mit denen die Figuren fertig werden mußten. Auffällig (und das meine ich jetzt im positiven Sinne!) ist, daß die Figuren Grau- und bisweilen sogar Schwarztöne haben, die „Guten“ also keine strahlenden Helden ohne Fehl und Tadel sind, sondern Menschen, die in guten wie in schlechten Zeiten ihr Schicksal meistern, mit den Nackenschlägen fertig werden müssen und dabei stets menschlich reagieren, auch wenn man nicht immer ihrer Meinung ist.

Ausgelesen habe ich das Buch mit etwas gemischten Gefühlen zugeklappt, denn die Katastrophen gegen Ende waren doch heftig, da bleiben Blessuren zurück - bei den Figuren wie beim Leser. Diese Geschichte ist auserzählt, und es sei den Figuren ein möglichst ruhiges weiteres Leben von Herzen gegönnt. Daß dies nicht allzulange ruhig bleiben wird, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher (oder auch Rosanne Bittners „Savage-Destiny-Serie“, die 1845 einsetzt). Auf jeden Fall hat Kerstin Groeper mit Kranichfrau, Nata-He-Yukan und wie sie alle heißen beeindruckende Figuren geschaffen, die einen tiefen Eindruck hinterließen und noch lange im Gedächtnis bleiben werden.

 

Mein Fazit

An anderer Stelle schreibt die Autorin, daß Sie mit ihren Büchern „unterhalten, Wissen vermitteln und Betroffenheit auslösen“ möchte. Eine bessere Zusammenfassung für diesen Roman gibt es nicht, denn genau das bot der Roman. Ein hervorragendes Buch, das lange nachhallen wird.

 

Über die Autorin

Kerstin Groeper wurde in Berlin geboren und lebte einige Zeit in Kanada; sie spricht Lakota. Über Indianer schreibt sie Artikel für verschiedene Zeitschriften sowie Bücher. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von München.

Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe

589 Seiten, 1 Landkarte im Vorsatz, gebunden
Verlag: TraumFaenger Verlag, Hohenthann 2009; ISBN 978-3-941485-00-6

 

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